Brandneues

Faszinierende Lauerjäger: Idolomorpha madagascariensis

Gottesanbeterinnen sind als Männer fressende, mordlustige Lauerjäger des Tierreiches verschrien. Außerdem erinnert der dreieckige Kopf mit den großen Augen an Aliens. Doch tatsächlich steckt viel mehr hinter diesen faszinierenden Insekten. Eine besonders beeindruckende Art unter ihnen ist die Hörnermantis (Idolomorpha madagascariensis) aus Madagaskar. Mit ihren feingliedrigen sieben bis neun Zentimetern Körperlänge liegt sie schon größentechnisch deutlich über den meisten madagassischen Gottesanbeterinnen. Ihre Flügel sind lila-gelb gefärbt, und heben sich vom knalligen Grün oder Beige des übrigen Körpers ab. Die Männchen tragen gefiederte Antennen, die wie Schmuck auf ihren hohen Köpfe sitzen.

Idolomorpha madagascariensis
Portrait eines Weibchens

Der lange, schlanke Körper dient vor allem der Tarnung: In trockenem Zebugras ist die Hörnermantis praktisch unsichtbar. Reglos sitzt sie stundenlang im hohen Gras und wartet auf Beute. Ihr Kopf ist extrem beweglich, und kann fast um 180° gedreht werden. So muss sich die Hörnermantis nicht einmal von ihrem Platz bewegen, um Ausschau nach Beute zu halten. Das erste Beinpaar ist bei Gottesanbeterin namensgebend: Es ist zu einem Fangapparat umgebaut, bei dem die bestachelten Unter- und Oberschenkel wie ein Taschenmesser gegeneinander geklappt werden. In Lauerposition sieht es so fast aus, als würde das Insekt „beten“. Das Fang-Beinpaar ist jedoch hochfunktionell und keineswegs für das Anrufen spiritueller Kräfte gedacht: In weniger als einem Zehntel Sekunde fängt die Hörnermantis damit einen Schmetterling direkt aus der Luft.

Idolomorpha madagascariensis kommt quasi überall auf Madagaskar vor, in Trockenwald von Isalo genauso wie im Regenwald von Vohimana oder der Sekundärvegetation um Antsohihy, im Süden wie im Norden der Insel. Zur Regenzeit findet man sie etwas leichter, da sie dann aktiver ist und die Männchen auf der Suche nach paarungswilligen Damen sind. Dabei muss das Männchen vor allem den richtigen Moment abpassen. Am besten wartet es, bis das Weibchen gerade frisst und mit seiner Beute beschäftigt ist. Dann stehen die Chancen am besten, nicht aus Versehen als Snack der Angebeteten zu enden. Tatsächlich enden die meisten Männchen nicht als Futter der eigenen Art, sondern paaren sich sogar mit mehreren Weibchen. Und sollte ein Männchen doch einmal erwischt werden, hindert das nicht einmal an der Fortpflanzung: Das Hinterteil, einmal an das Weibchen angedockt, kopuliert auch ohne Kopf munter weiter.

Idolomorpha madagascariensis
Ein Weibchen in Lauerposition

Das Weibchen klebt nach der Paaung mehrere sogenannte Ootheken unter Äste oder Blätter. Das sind schaumige, gerippte Gebilde, in deren Schutz sich der Nachwuchs entwickelt. Aus einer Oothek schlüpfen nach zwei, drei Monaten ein paar Dutzend kleine, grün-braune Gottesanbeterinnen, die sogenannten Larven. Sie sind kaum einen Zentimeter groß, können aber schon Insekten fangen wie die Großen und sind genauso grazil. Es dauert acht Häutungen, bis Idolomorpha madagascariensis ausgewachsen und paarungsbereit ist – nur ein Bruchteil des Nachwuchses schafft es so weit. Die meisten werden schon früher von Lemuren, Vögeln und hungrigen Reptilien verspeist. Es lebt sich gefährlich als Gottesanbeterin!

Obwohl Idolomorpha madagascariensis seit vielen Jahren in der Terraristik außerhalb Madagaskars gezüchtet wird, ist relativ wenig über sie bekannt. Nicht einmal einen Schutzstatus haben die wunderschönen Insekten. Dank ihrer hohen Vermehrungsrate und des großen Vorkommens darf man allerdings davon ausgehen, dass die schöne Hörnermantis dem Land noch lange erhalten bleiben wird.

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