Brandneues

Ein Ost-West-Konflikt: Rotstirnmakis

Bei den Rotstirnmakis ist die Farbe einseitig verteilt: Nur die Männchen haben die namensgebende rote Stirn. Bei den Weibchen ist dieser Bereich grau gefärbt. Beide Geschlechter wiegen zwischen zwei und drei Kilogramm und werden gerade mal einen halben Meter groß, gemessen ohne Schwanz.

Rotstirnmaki
Ein Weibchen in Isalo

Bis 2008 dachte man, der Rotstirnmaki sei lediglich eine Unterart des sehr ähnlich aussehenden Roten Makis (Eulemur rufus). Dann veröffentlichte jedoch der US-amerikanische Forscher Russell Mittermaier genetische Untersuchungen, die den Artstatus des Rotstirnmakis belegten und ihm seinen eigenen Artnamen Eulemur rufifrons gaben.

Die Heimat dieser neugierigen Lemuren ist die südliche Hälfte Madagaskars, im Westen ab etwa dem Tsiribinha über Kirindy, Isalo und Zombitse-Vohibasia bis nach Toliara (Tuléar) und im Osten etwa ab der Höhe der Flüsse Onive und Mangoro über Ranomafana bis zum Andringitra-Gebirge. Im Westen besiedeln sie Trockenwälder, im Osten Regenwälder. Die Habitate könnten dabei unterschiedlicher nicht sein: Rotstirnmakis können sich sowohl an das ganze Jahr über andauernden Regen gewöhnen als auch gut mit extrem langen Dürreperioden und großer Hitze auskommen. Ihr größter Vorteil gegenüber anderen Arten ist, dass sie relativ problemlos Reviere wechseln und nicht auf ein einziges Gebiet angewiesen sind.

Rotstirnmakis sind Familientiere. Rund acht oder neun Tiere leben meist in einem Familienverbund zusammen. Sie übernehmen die gegenseitige Pflege der älteren Jungtiere, unterstützen sich bei der Futtersuche und Fellpflege. Sie sind kathemeral, das heißt sie können je nach Gegebenheit nacht- oder tagaktiv sein.

Rotstirnmaki
Ein halbwüchsiger männlicher Rotstirnmaki in Kirindy

Auffällig ist bei den Rotstirnmakis, dass Verhalten und Familienbande sich je nach Lebensraum unterscheiden: Die Tiere im Westen agieren und leben anders als die im Osten. Wahrscheinlich ist dies auf eine höhere Populationsdichte der Rotstirnmakis im Westen Madagaskars zurückzuführen – hier muss man im wahrsten Sinne des Wortes näher zusammenrücken. So kann das Revier einer Rotstirnmaki-Gruppe in den Regenwäldern Ostmadagaskars bis zu einen Quadratkilometer groß werden, während die Gruppen im Westen sich mit wesentlich weniger Lebensraum begnügen müssen. Und noch mehr Unterschiede offenbaren sich zwischen Ost und West: Im Westen dominiert ein Männchen bei der Paarung seiner Gruppe, im Osten dagegen paaren sich die Weibchen gewöhnlich mit mehreren Männchen. Und selbst beim Futter gibt es Unterschiede. Während im trockenen Westen Blätter ein großer Bestandteil des Futters sind, können Rotstirnmakis im Osten auch auf Insekten und wesentlich mehr Früchte zurückgreifen.

Was bei beiden Populationen ähnlich ist, sind Paarung und Nachwuchs. Die meisten Verpaarungen finden  im Juni statt, so dass die Jungen im September und Oktober geboren werden. Damit liegt die Aufzucht der Jungtiere in der regenreichsten Zeit des Jahres, und damit auch der nahrungsreichsten. Beste Startbedingungen also für die jungen Makis, die erst noch lernen müssen, sich selbst sicher durch die Äste zu bewegen und ihr eigenes Futter zu pflücken. Mit etwa drei Monaten beginnen die Jungtiere, ihre ersten selbstständigen Ausflüge zu unternehmen. Geschlechtsreif werden sie aber erst mit zwei bis drei Jahren.

Rotstirnmaki
Ein Rotstirnmaki-Baby klammert sich ins Fell seiner Mama, Kirindy

Die Populationszahlen der Rotstirnmakis gehen, wie bei fast allen Lemuren Madagaskars, in den letzten Jahren stetig zurück. Wegen ihrer hohen Anpassungsfähigkeit und wenig zersplitterten Lebensräumen gibt es aber noch relativ große Populationen. Auf der roten Liste gefährdeter Tierarten der IUCN wird der Rotstirnmaki aktuell daher als „near threatened“, also lediglich potenziell gefährdet, geführt. Gerade Rotstirnmakis haben jedoch noch mit einer ganz anderem Gefahr als nur der Zerstörung von Lebensraum zu rechnen: Sie werden für ihr Fleisch regelmäßig gejagt. Auf Schwarzmärkten und in Restaurants unter der Hand angeboten,  gelten sie als die meist gegessenen Lemuren Madagaskars. Ein sehr trauriger Titel, der die Tiere für ihre Zutraulichkeit büßen lässt. Es steht zu hoffen, dass die Art nicht durch Menschenhand und Verzehr so stark dezimiert wird wie andere Lemuren durch den Lebensraumverlust auf der roten Insel.

Lesen Sie auch

Die verborgene zweite Mahafalynatter

Lange gab es nur eine einzige Mahafalynatter auf Madagaskar – dachte man zumindest. 2017 fanden …